Weinranken hab ich beschnitten heute und Spinnen beim Vögeln zugeschaut.
Eigentlich sah ich, wie eine Spinne einer anderen hinterherjagte – die Kleinere die Größere einholte, besprang und sich zitternd und zuckend an sie dockte. Die Beiläufigkeit des Aktes an diesem Donnerstagnachmittag, an dieser künstlich grünen Wand, zwischen all den anderen Arten von Spinnen, hatte etwas sehr sehr Trauriges.
Mehltau hat den Wein kranken lassen.
Die sich ausbreitende Blässe der zuvor satt grünen Blätter, ist spürbar unangenehm anzuschauen. Ein Gefühl wie bei der Betrachtung von staubigem Schimmel, von dem mensch nicht genau weiß, ob er einen anfliegt oder nicht. Zuerst nahm der Befall den Blättern die Farbe, dann den Früchten den Saft, die Kraft und mit ihr die Süße.
Die Süße. Gerade versuche ich mich zuckerfrei zu ernähren, was bedeutet, dass ich täglich dreimal mehr lese als zuvor.
Versteckte Zucker zu finden, ist richtig Arbeit, dabei sind Zuckerchristalle soetwas Wunderbares.
Als Kind aß ich sie häufig dick gestreut auf frischem mit Butter bestrichenem Brot und das tat ich nicht allein und wir waren trotzdem sehr gesunde und dünne Mädchen. Meine Mutter erkannte die Anzahl der nachmittäglichen Besucherinnen an den weißen Zuckerchristallen auf unserem Küchenboden und an den fehlenden, zu Bruch gegangenen Gläsern ihrer Minibar. Wir tranken Sirup mit Wasser aus ihren Besten und fühlten uns ziemlich erwachsen.
Gegen die Eintönigkeit dieser Tage stellten wir uns abwechselnd an die Zimmerwand, um uns, indem wir uns gegenseitig fest gegen den Brustkorb pressten, ohnmächtig werden zu lassen. Eine nach der Anderen erlebte diesen Zustand, der jedoch lediglich für die Betrachterinnen, der in sich zusammen Sinkenden etwas Imposantes hatte, denn die Ohnmächtige selbst, hatte keinerlei Gefühl, Rausch oder ähliches davon.
Zumindest soweit ich mich erinnere…
Zuckerbrotnachmittage.
… Ein Mädchen war nie dabei.
Ihre Eltern hatten sie in ihrem Zimmer eingesperrt, damit sie darüber nachdachte, warum gerade ich, ein schwarzes Mädchen so beliebt war, dass die gesamte Klasse mich schon wieder zur Gruppenratsvorsitzenden wählte.
Sie hatte ganze Monate Hausarest und ich sah sie oft hinter ihrer Zimmergardine: kalter Blick …
Kein Weißzucker für Katja.